Die Rektorin der Gräfenauschule Barbara Mächtle brachte es diese Woche auf den Punkt: Den Kindern an der Ludwigshafener Gräfenau-Grundschule hilft nur eines: Sprachförderung, Sprachförderung und noch einmal Sprachförderung. Und zwar kontinuierlich, täglich, intensiv. Natürlich kommt kein Schulstoff beim Kind an, wenn es erst einmal lernen muss, was "Schere", "Mäppchen" und "Mappe" überhaupt bedeuten. Die Kinder sind restlos überfordert, denn der Unterricht rauscht wortwörtlich an ihnen vorbei.
Lehrkräfte zerreißen sich
Und das hat nichts mit den Lehrkräften zu tun, die sich tagtäglich zerreißen, damit sie den Kindern auch nur irgendwie gerecht werden können. Und das kann man auch nicht einfach den Eltern in die Schuhe schieben. Es gibt viele Gründe, warum ein Kind nicht in der Schule mitkommt. Sprachkompetenz ist das eine, aber auch Krankheit, Arbeitslosigkeit oder schlichtweg Berufstätigkeit machen es auch deutschen Familien oft schwer, die Kinder so zu unterstützen, wie sie es vielleicht bräuchten.
Schulleiterin fordert mehr Sprachförderung Voraussichtlich 44 Sitzenbleiber in der Ludwigshafener Gräfenauschule
Die Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen hatte vor einem Jahr für Aufsehen gesorgt, weil 39 der 126 Erstklässler das Schuljahr wiederholen mussten. In diesem Jahr sind es noch mehr.
Schule muss bestenfalls auch so funktionieren - ohne teuren Nachhilfe-Unterricht, ohne Eltern, die stundenlang neben ihren Knirpsen sitzen, um mit ihnen zu pauken. Tut sie aber in Deutschland nicht. Und in Städten wie Ludwigshafen dreimal nicht. Das Zauberwort: Ganztagsschulen. Das wünschen sich im übrigen ganz viele Eltern, die wissen, dass sie ihre Kleinen nicht unterstützen können. Ein Ort, an dem nicht nur Lesen und Schreiben gelernt wird, sondern ein Ort, an dem Kinder auch Sozialverhalten lernen, ein Kind, Kind sein darf, malen, basteln, turnen kann. Ein Lebens- und Wohlfühlort. Ein Schutzraum gerade für benachteiligte Kinder. An der Gräfenau gibts kaum Hortplätze.
Bildungsministerium reagiert beleidigt
Das Mainzer Bildungsministerium reagiert wie immer. Beleidigt. Man tue doch schon so viel für die Ludwigshafener Schulen, insbesondere für die Gräfenauschule. Dass wieder 44 Kindern die Wiederholung der ersten Klasse empfohlen wird, empört Bildungsministerin Hubig. Im Ernst jetzt? Hier und da mal eine Zusatz-Deutsch-Stunde bringt diesen Kindern nichts. Dann fehlt womöglich noch die Lehrkraft für den "Deutsch als Zweitsprache"-Unterricht und dann findet gar nichts statt. Diese Kinder benötigen jeden Tag intensiven Deutschunterricht.
Seit einem Jahr sind die Ludwigshafener Schulen intensiv mit dem Land im Dialog, an mehreren runden Tischen. Aber richtig zugehört hat da wohl keiner. Am Besten wäre es, sagt Rektorin Barbara Mächtle, die Kinder würden schon vor der Einschulung intensiv deutsch lernen.
Interview mit Bildungsministerin Stefanie Hubig Grundschulen in Brennpunkten: "Wir brauchen dringend die Eltern"
Grundschulen in Ludwigshafen schlagen Alarm: Viele Grundschüler in Ludwigshafen sprechen kaum deutsch und manche schwänzen die Schule. Was das Land jetzt plant, erklärt Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) im SWR-Interview.
Sprachförderung wurde abgeschafft
Doch die Sprachförderung an den Kitas wurde abgeschafft. Ein verpflichtendes Kindergartenjahr, wie es das Land vorsieht, wird nichts bringen. Erstens fehlen in Ludwigshafen über 3.000 Kita-Plätze und zweitens gibt es gar kein Fachpersonal, das dies leisten könnte. Die Elternvertreter der Grundschulen in Ludwigshafen sind im übrigen auch entsetzt, dass die einzige Lösung des Landes lautet: das Verwenden der Alltagssprache in der Kita soll das Sprachproblem der Kids lösen. Im Projektpapier des Landes heißt es dazu allen Ernstes: "Kosten: Keine", "Alternativen: Keine". Da sag ich nur "Wirksamkeit: Keine." Frau Hubig: Setzen sechs!
Zur Person: Nicoletta Prevete ist Redakteurin im SWR Studio Mannheim-Ludwigshafen.